Impulse und mögliche Wege
Dass Beziehungen elementar für uns Menschen sind, ist wohl kein Geheimnis. Beziehungen geben uns das Gefühl der Sicherheit und der Zugehörigkeit. Wenn man Menschen am Ende ihres Lebens fragt, was für sie wichtig war und ist – sind es immer die Beziehungen, die zählen – nicht Ruhm und Ehre, nicht Geld oder Status.
Was macht eine gute Beziehung aus und wie entsteht sie?
Soziale oder interpersonale Beziehungen haben als Basis den Kontakt und die Kommunikation. Die Intensität und Art und einer Beziehung kann variieren und dadurch die Beziehung prägen. Stabile, vertrauensvolle Beziehungen münden in ein Gefühl von Verbundenheit und entstehen durch das Zeigen und Erleben von Verletzlichkeit, Nähe und Präsenz.
Im privaten Umfeld entstehen persönliche Beziehungen von alleine und meist ohne großes aktives bewusstes Zutun. Beziehungen entstehen langsam und brauchen das gemeinsame Erleben und Kommunizieren. Im gegenseitigen Erleben bekommen wir eine Idee davon, wer der andere ist, wie seine Werte und Wünsche gelagert sind und auch was ihn anstrengt, reizt und verärgert. Wir erfahren aus seinem Leben, bekommen mit, was ihn geprägt hat, was er schätzt und was ihn berührt.
Das passiert alles einfach so – mit der Zeit. Irgendwann spürt man dann das Vertrauen, das sich aufgebaut hat, weil man sich erlebt, gegenseitig unterstützt und verstanden fühlt und auch das Verhalten des anderen für berechenbar hält. Wo Vertrauen herrscht, geht vieles einfacher, weil man sich verlassen kann und sich sicher fühlt. Auch ein Flow im gemeinsamen Sein kann von Zeit zu Zeit erlebt werden und dass Verstehen nur über einen Blick oder eine Mimik funktioniert.
Wie sieht es nun im beruflichen Umfeld aus? Was ist da so anders? Und warum braucht es hier eine bewusste Gestaltung?
Im beruflichen Umfeld sind meist funktionale Beziehungen vorhanden, die über gegenseitige Rollenerwartungen geklärt werden und auf gemeinsamen Zielen beruhen. Man sucht sich die Personen nicht alle aus, wie im privaten Umfeld, sondern muss in relativ kurzer Zeit eine Beziehung aufbauen, um gut miteinander zu agieren. Sich zu vertrauen erleichtert das Handeln, Entscheiden und Kommunizieren in komplexen Welten erheblich.
In der täglichen Führungspraxis ist die Beziehungsgestaltung daher ein wichtiger Aspekt, da er nicht jeder Persönlichkeit leicht fällt.
Wer eine echte Beziehung zu sich und seinen Bedürfnissen, Wahrnehmungen und Emotionen herstellen kann, kann sie auch zu anderen herstellen. Die Basis für bewusste Beziehungsgestaltung ist die Fähigkeit, sich mit dem verbinden zu können, was man neben dem Verstehen, spüren und wahrnehmen kann. Sprich, sich selbst zu vertrauen, in dem was man denkt UND spürt und beides zum Ausdruck zu bringen.
Der Aufbau von Beziehungen und Ausbau der emotionalen Intelligenz fällt Persönlichkeiten schwerer, die
- dazu neigen nur über das zu sprechen, was ihnen unmittelbar wichtig erscheint und sie in einer Situation weiterbringt – das sind vor allem Sachthemen.
- mit einem Rollenbild von Führung ausgestattet sind, in das es nicht passt, persönliche Dinge anzusprechen oder wertvolle Zeit mit persönlichen Themen zu vergeuden.
- ein sach- bzw. zahlenorientiertes Selbstbild haben, das in einer übernutzten Stärke dazu führen kann, Mitarbeiter oder Kollegen emotional abzuhängen.
Aufgedeckt wird die unzureichende Beziehungsfähigkeit oftmals über ein Feedback des Unternehmens (z.B. einer Mitarbeiterbefragung), das eine Verbesserung der Beziehung und Kommunikation zu den Mitarbeitern oder Kollegen einfordert.
Führungskräften ist oftmals ihre eigene Wirkung auf andere gar nicht wirklich bewusst. Der wenig beziehungsgesteuerte Kontakt kann zu Vertrauensverlust führen. Wer nur fragt und wenig von sich preisgibt, kann das Gegenüber verlieren – weil die Resonanz fehlt. Eine oftmals zu kurze und prägnante Kommunikation schafft mehr Distanz, Ablehnung und Missverständnisse als nötig. Auch in Online-Settings gewinnt die bloße Zahlen-Daten-Fakten-Kommunikation gerne die Oberhand.
Für Unternehmen ist es wichtig Führungskräfte zu haben, die ihre Mitarbeiter und Kollegen auch in Veränderungen und schwierigen Situationen psychologische Sicherheit bieten können – und das funktioniert auch im Führungsalltag über Vertrauen und Beziehung.
Der erste Schritt zu mehr Beziehung ist der Weg zum Erkennen eigener Hintergründe und Emotionen
Erkennt eine Führungskraft den Handlungsbedarf führt diese Erkenntnis meist in einen Entwicklungsprozess, zum Beispiel über ein Führungscoaching.
Wer seine eigenen Emotionen spüren kann, kann diese zum Ausdruck bringen und von Herzen sprechen. Das „Von-Herzen-Sprechen“ fällt oftmals nicht leicht, weil es ungewohnt ist und sich im Business-Kontext unpassend anfühlt. Ein guter Weg, sich dem zu öffnen, kann der Weg über das Erkunden der eigenen Hintergründe von Emotionen sein – dieser Zugang fällt oftmals leichter als der direkte Weg zum Herzen.
Drei mögliche Reflexionsfragen zur Selbsterkundung:
- Welche positiven Absichten verbinde ich mit einem aktuellen Thema oder einer Entscheidung – für Mitarbeiter, für Kollegen, für mein Team/Bereich oder das ganze Unternehmen?
- Welche Hoffnung und welche Wünsche sind mir in diesem Zusammenhang wichtig?
- Welche Formen von Ärger, welche Ängste oder Befürchtungen habe ich mit dem Thema, dieser Entscheidung?
Nach der Selbsterkundung, bietet ein Perspektivenwechsel, den weiteren Schritt in die Beziehungsgestaltung:
- Wie sieht das ganze aus der Perspektive der anderen aus?
- Welche Gedanken haben meine Mitarbeiter, Kollegen etc.?
- Welche Absichten verbinden sie mit der Entscheidung und welche Wünsche haben sie?
- Welche Emotionen treten auf, wenn sie sich dem Thema konfrontieren?
Die Brücke in der Führungskommunikation, die zu Beziehungsbildung und wachsendem Vertrauen führt, bildet dann ein Verbinden des Eigenen und das des/der Anderen:
- Was ist hilfreich von mir zu zeigen, wenn ich meine Absichten einbeziehe und die Perspektive der anderen sehen und verstehen kann und diese aufrichtig berücksichtigen will.
Nach erfolgreicher Selbsterkundung und dem Hineinstellen in die Schuhe des anderen, ist es einfacher zum Ausdruck zu bringen, was man von sich mitteilen möchte.
Warum fällt das vielen damit leichter?
Weil es einen Bezug zum Thema hat und sich der Sinn sich zu öffnen, Interesse am Gegenüber zu zeigen, automatisch einstellt. Auf einmal ist das sich Zeigen und über eigene Gefühle zu sprechen eingebunden in einen Kontext, der zielführend erscheint.
Mehr von sich zu erklären, seine eigenen Emotionen nicht hinterm Berg zu halten und die der anderen anzusprechen, braucht Willen und Mut. Die gefühlten Risiken dies zu tun schrumpfen mit der Zeit, die Chancen, die in dieser Art der Beziehungsgestaltung liegen, treten in den Vordergrund. Verletzlichkeit ist so eine Form von Stärke, Nähe und Präsenz zusätzliche Kanäle um Intuition und Emotion aktiv in der Wahrnehmung und Kommunikation zu nutzen. Beziehungsgestaltung in Führungsteams und zu den eigenen Mitarbeitern baucht Aufmerksamkeit und Bewusstsein.
Wer sich als Führungskraft auf diese Reise begeben oder seine systemischen Kenntnisse vertiefen möchte, findet in unserem Avenue Institut unsere systemischen Programme, z.B. unsere kombinierte Coaching- und Beratungsausbildung
Oder Sie begeben sich einfach in einen persönlichen Coaching-Prozess zur Steigerung des eigenen Bewusstseins oder gehen diesen Weg gemeinsam in Ihrem Führungsteam.
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