In meinen Beratungsprojekten kommt mir momentan von vielen Führungskräften der Wunsch nach eigenverantwortlicheren Teams entgegen. Sei es in der Frage, wie Teams gestärkt werden können mehr eigene Freiräume im Handeln und Entscheiden zu übernehmen. Oder eben in Form von Frust, wenn die ersten Versuche nicht gelungen sind und das Team weiterhin in Entscheidungen auf die Führungskraft schaut und sich in Richtung Eigenverantwortung nichts bewegt.

Im folgenden Beitrag teile ich daher wahrnehmbare Muster im Umgang mit Eigenverantwortung und Ansätze, diese gelingend aufs Team zu übertragen.

Fragt man Führungskräfte, warum sie eigenverantwortlich entscheidende Teams möchten, geht es meist um „lange Leine lassen, um nicht überall beteiligt sein zu müssen“, „echtes Wachstum der Mannschaft“ oder auch „abgeben zu können, um Verantwortung mehr auf Augenhöhe zu teilen“.

Im Prozess des Teamwachstums in Richtung Eigenverantwortung gibt es typische Fallstricke:

Komplexität der Gruppe beachten

Solange Konflikte im Team gären, ist der Raum nicht frei für eigenverantwortliches Arbeiten. Auch die Unterschiedlichkeit des Teams will erstmal eingeübt sein, bevor Selbstorganisation wirklich funktioniert. Auf dem Weg dahin, hilft es Konflikte auf den Tisch zu bringen und anzusprechen und zum Lösen zu ermuntern (dies kann sofern möglich auch in Eigenregie des Teams passieren). Eine gesunde Konfliktkultur ist Basis für eigenverantwortliches Arbeiten im Team.

Eigenverantwortung braucht Führung

Der Weg zum eigenverantwortlicheren Arbeiten braucht Führung, um Störungen auszuloten und zu lösen und Bedenken im eigenen Handeln und Entscheiden besprechbar zu machen. Es geht um Zutrauen und Befähigung, um nach und mehr Freiräume zu übernehmen. Dies passiert nicht von selbst. Die konsistente Haltung der Führungskraft (siehe unten förderliche Glaubenssätze) unterstützt dies.

Loslassen und befähigen

Wichtigste Kompetenz für Führungskräfte, die mehr Eigenverantwortung haben wollen, ist das Loslassen. Aber bitte nicht auf Knopfdruck. Ihr Team ist daran gewöhnt, dass Sie entscheiden und wird in der Anfangszeit immer wieder auf Sie schauen, wenn es selbst entscheidet. Es braucht  Loslassen mit gutem Augenmerk, was dabei im Team passiert und wie sich Dynamiken verändern. Die Muster haben sich lange eingespielt und brauchen Geduld, sowie Reflexion, damit sie sich wie gewünscht lösen. Gerade am Anfang braucht es den Austausch über die gesteckten Freiräume: Welche Entscheidungen darfst Du treffen? Welche liegen weiterhin in meinem Verantwortungsbereich? Wo möchte ich, dass Du wächst und warum?

Reflexion des eigenen Qualitätsanspruchs

Ein großer Stellhebel in diesem Loslassprozess ist der eigene Qualitätsanspruch. Wenn das Ergebnis des Teams nicht dem eigenen Anspruch genügt, gilt es zu reflektieren: wer im Team braucht mehr Anleitung oder Befähigung von mir? Oder eben: was hat es mit mir zu tun, dass des nicht meinem Anspruch genügt? Gilt es meine Erwartungen zu verändern, dass es auch andere Wege zum Ziel gibt? Wann immer Sie die delegierte Aufgabe wieder übernehmen, weil Ihnen das Ergebnis nicht passt, zerstören Sie das Wachsen Ihres Teams (und Ihre Glaubwürdigkeit als Führungskraft).

In den Führungscoachings erlebe ich im Rahmen dieses Loslassprozesses oft eine innere Transformation der Haltung und Glaubenssätze der Führungskraft. Wo Eigenverantwortung nicht gelingt, hat es meist mit hindernden Glaubenssätzen zu tun, die vom Gegenüber gespürt werden und das Team davon abhalten in die Verantwortung zu gehen. Diese zu transformieren, ist Grundlage für gelingende Eigenverantwortung im Team:

Blockierende Glaubenssätze, die Eigenverantwortung verhindern: Fördernde Glaubenssätze, die Eigenverantwortung stärken:
Ich kann es nur alleine lösen. Ich kann andere befähigen und wachsen lassen.
Ich kann meinen Mitarbeitern nicht vertrauen. Ich traue meinen Mitarbeitern etwas zu.
Das, was rauskommt, wird mich (und die höhere Führungskraft) nicht zufrieden stellen. Ich traue es meinen Kollegen zu, dass Sie ergebnisgerecht die Aufgabe meistern.
Nur ich kann mein Team schützen vor dem Vorstand abschirmen. Ich habe Zutrauen, dass mein Team auch schwierige Situationen eigenständig meistert.
Wer was von mir will, muss zu mir kommen. Ich spüre Überforderungsmomente meiner Mitarbeiter und reagiere darauf.
Ich brauche die Kontrolle über alles, was passiert. Ich darf loslassen und habe Zutrauen.
Wer sich entwickeln will, muss sich einen neuen Job suchen. Ich kann Mitarbeiter entwickeln.

Eigenverantwortung will gelernt sein. Mitarbeitern beim individuellen Wachsen zuschauen zu dürfen und zu beobachten, wie Teams am Ende dieses Prozesses ganz selbstverständlich Probleme lösen und Entscheidungen treffen und ein natürlicher Flow entsteht, ist aus meiner Sicht einer der dankbarsten Momente der Führungsrolle.

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