„Vertrauen kann man nicht voraussetzen – man kann es nur fördern.“

Dieser Satz kommt uns in Führungskräfteentwicklungen und Teamworkshops immer wieder über die Lippen. Doch dies ist leicht gesagt und schwer getan. Oft erleben wir in unserer Beratungsarbeit Teams, in denen untereinander kein oder nur noch wenig Vertrauen herrscht. Auch erleben wir Führungskräfte in Coaching-Situationen, die ihren Mitarbeitern kein Vertrauen mehr schenken wollen, weil sie zu oft vom Gegenteil enttäuscht wurden. Dies führt meist zu einem Übermaß an Kontrolle, zu erheblichen Spannungen und Reibungsverlusten in der Zusammenarbeit – der Teamoutput leidet.
Doch wie entsteht Vertrauen? Und was führt dazu, dass es schwindet oder gar ganz zerstört wird?

Vertrauensvoll agieren als Führungskraft ohne als der Depp dazustehen – wie macht man das? Vertrauen ist der „Kitt“ sozialer Zusammenarbeit und die Basis wirksamer Führung. Auch, um sich gemeinsam Freiräume zu geben und diese ausfüllen zu können. Daher werden wir in diesem Artikel das Thema Vertrauen erkunden und Antworten zu diesen Fragen finden.

Vertrauen kommt von „Trauen“

Vertrauen hat mit der Erwartung zu tun, durch das Verhalten und die Handlungen der Anderen nicht benachteiligt zu werden. Vertrauen wird durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität begründet [1]. Für Führungskräfte heißt das, verlässlich für die Mitarbeiter zu sein und Kontinuität im Handeln und Verhalten zu zeigen. Und es heißt auch, tragfähige Beziehungen in Teams wachsen zu lassen, die gerade in turbulenten Phasen den Zusammenhalt fördern und nicht dazu führen, dass der Sinn des Teams in Frage steht. In Interaktionssituationen steht Vertrauen stets im Zusammenhang mit Verantwortung: Akteure, denen Vertrauen geschenkt wird, haben die Verantwortung, dieses zu honorieren. Wir vertrauen einzelnen Menschen, Gruppen, Organisationen und Institutionen. Dieses Vertrauen wird oft gerechtfertigt, zuweilen jedoch auch enttäuscht.
Das Wort Vertrauen kommt nicht umsonst von „Trauen“. Denn Vertrauen braucht Mut. Sich Anderen gegenüber zu öffnen und mitzuteilen, was man denkt und fühlt, birgt die Chance in seinen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden. Es birgt aber auch die Gefahr verletzt zu werden. Wir alle haben Erfahrungen gemacht, in denen Vertrauen wachsen durfte und genauso auch Situationen erlebt, in denen es tief verletzt wurde. Vertrauen stabilisiert sich genau in den Situationen, die die eigene Verletzlichkeit erhöhen – in denen man mehr als Verlierer denn als Gewinner herausgehen kann. Denn hier kann man nicht anders, als einen Vertrauensvorschuss zu geben und zu vertrauen, dass der Andere dies nicht zu seinen Gunsten ausnutzen wird.

Vertrauen reduziert Komplexität

Nach Niklas Luhmann hat Vertrauen die Funktion, die „Komplexität der Möglichkeiten auf ein Maß zu reduzieren, das den einzelnen in seiner Umwelt handlungsfähig bleiben lässt.“ [2]. Wenn also Zeit oder Informationen fehlen, um Situationen im Ganzen rational zu durchdringen und zu bewerten, befähigt Vertrauen zu einer auf Intuition gestützten Entscheidung. Ein spannender Gedanke, legt er doch den Rückschluss nahe, dass es in einer Berufswelt, die zunehmend an Dynamik und Komplexität gewinnt, mehr Vertrauen und mehr tragfähige Beziehungen braucht.
Vertrauen beginnt bei sich selbst
Vertrauen zu anderen Menschen braucht zuerst einmal Vertrauen in sich selbst. Es ist eng an den eigenen Selbstwert gebunden und an die Überzeugung, mit den eigenen Fähigkeiten und Stärken auch herausfordernde Situationen und Probleme meistern zu können. Mit gutem Selbstvertrauen gehen wir gelassener durch die Welt. Wenn ich der Überzeugung bin, dass ich in der Lage bin, auch schwierige Situationen zu meistern, kann ich in der Regel auch anderen leichter vertrauen.
Doch ein weiterer Aspekt macht die Sache komplex: die Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, prägen unseren Umgang mit Vertrauen. Denn wir alle sind ein Produkt unserer Erfahrungen. Um vertrauensvolle, gesunde Beziehungen aufzubauen, sind die ersten Lebensjahre von Bedeutung. Und auch die Erfahrungen, die wir danach machen, prägen die nachfolgenden Beziehungen –gerade die beruflichen. Denn in beruflichen Beziehungen gibt es oft Überlagerungen und Spiegelungen zu unseren früheren Erfahrungen.

Wenn das Vertrauen fehlt…

„Mit einer geballten Faust kann man keinen Händedruck austauschen.“ Indira Gandhi

Wenn Vertrauen in Teams oder Organisationen fehlt, ist das meist ein Gärungsprozess. Führungskräften wird mit Misstrauen begegnet, Teams fühlen sich kontrolliert, Konflikte entstehen und werden meist gar nicht ausgetragen oder finden keine Klärung.
Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben, sind enttäuscht und entwickeln manchmal eine distanzierte oder gar misstrauische Haltung gegenüber anderen. Die Distanz ist dann meist ein Schutzschild, was vor schlechten Erfahrungen bewahren soll. Frei nach dem Motto: wer mit Schlimmem rechnet, kann auch nicht enttäuscht werden. Doch dieser Gedanke ist nicht ganz zu Ende gedacht, denn wer mit Schlimmem rechnet, dem widerfährt auch Schlimmes. Unsere Erwartungen beeinflussen unser Verhalten – auch wenn uns das nicht bewusst sein mag – und andere Menschen reagieren darauf entsprechend. Wenn jemand Ihnen sehr reserviert entgegentritt – wie reagieren Sie dann? Gehen Sie warmherzig auf ihn zu?
Es ist eine bewusste Entscheidung, sich zu schützen und weiter in der sicheren „Komfortzone“ zu bewegen. Sie nimmt jedoch die Chance, wertvolle Erfahrungen zu machen.
Das Wiederherstellen von Vertrauen ist wesentlich anstrengender und kostet mehr Zeit und Energie, als von Beginn an in der eigenen Führungsrolle bewusst eine Vertrauenskultur im Team zu unterstützen. Worauf Sie dabei in Ihrer Führungspraxis achten können, beschreiben wir Ihnen im Folgenden.

Vom Gärkessel zur Mannschaft, die an einem Strang zieht: Wie Sie als Führungskraft Vertrauen im Team wachsen lassen

 „Das Vertrauen gibt dem Gespräch mehr Stoff als der Geist“ – Herzog von La Rochefoucauld

  • Vertrauensfähigkeit beginnt bei Ihnen selbst und ist eine Entscheidungsfrage in jeder Interaktion mit anderen. Wie viel trauen Sie Ihren Mitarbeitern zu? Und was sagen Ihre Mitarbeiter dazu?
  • Geben Sie im Team Raum für das Wesentliche – und regelmäßig Zeiten für echten Dialog. Gerade in Zeiten, in denen viel ansteht und eine Menge Aufgaben in kürzester Zeit zu erledigen sind, braucht es ab und an Zeitfenster, um mit Ruhe darüber sprechen zu können, wie es dem Einzelnen damit geht.
  • Unterstützen Sie darin, offen Bedürfnisse zu äußern und konstruktiv Lösungen zu finden. Dabei müssen Sie nicht immer das Rezept für die Lösung haben, binden Sie die Teammitglieder in den Lösungsprozess ein.
  • Sprechen auch Sie aus, was sie brauchen und erwarten, um gut miteinander arbeiten zu können.
  • Sprechen Sie Enttäuschungen offen und konsequent an und äußern Sie Ihre Erwartungen.
  • Sprechen Sie über Hintergründe von Entscheidungen und holen Ihre Mitarbeiter dabei mit ins Boot. Wenn Sie aufgrund äußerer Rahmenbedingungen heute so und morgen so entscheiden, fehlt dem Team irgendwann die Glaubwürdigkeit. Besprechen Sie, warum Sie so entschieden haben und fragen Sie, wo möglich, nach Perspektiven, Ideen und Anregungen der Mitarbeiter.
  • Vertrauensfähigkeit zeigt sich auch in Prozessen und Strukturen: wie viel Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume gibt es? Wo sind Grauzonen? Wie viel Orientierung geben Sie? Wie viel Kontrolle braucht es in den Abläufen? Wie viel Transparenz lassen Sie zu?

Vertrauenskultur beginnt bei jedem Einzelnen in der Organisation. Natürlich beginnt der effektivste Weg diese zu fördern beim Top-Management. Dennoch: jeder in der Organisation hat seinen individuellen Beitrag dazu.

Zum Abschluss noch ein paar DENKIMPULSE für Ihre eigene Führungspraxis:
  • Wo haben Sie jemandem in einer kritischen Situation vollkommen vertraut und wurden dafür nicht enttäuscht?
  • Wie viele vertrauensvolle Beziehungen haben Sie in Ihrem beruflichem Kontext, auf die Sie zählen können?
  • In welcher Ihrer beruflichen Beziehungen könnte mehr Vertrauensvorschuss sinnvoll sein?
  • Wie sieht es mit dem Vertrauen in Ihrem Team aus? Gibt es echtes Vertrauen? Was würde passieren, wenn Sie gemeinsam in eine wirklich krititsche Situation geraten?
  • Wie können Sie das Vertrauen in Ihrem Team noch weiter wachsen lassen? Was ist Ihr eigener Beitrag dazu?

Lesen Sie hier mehr zu den Themen Weiterentwicklung von Führungskultur und Führungskräfte Coaching

Quellen:
[1] Hans Rudolf Jost; Komplexitätsfitness; Zürich (2000)
[2] Niklas Luhmann, Vertrauen: Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, 1968, S. 10, 13