Familienunternehmen überzeugen oft durch ihre Besonderheit in der Kulturgestaltung. Der Gründer oder die Gründerin gilt als Gallionsfigur und hat besondere Werte und Maßstäbe entwickelt, nach denen das Unternehmen arbeitet. Familienunternehmen haben eine zusätzliche, komplexitätssteigernde Variable: die familiäre Dimension, die mit dem Unternehmen gekoppelt ist und ihre Berücksichtigung braucht. Laut BDI sind rund 95% der deutschen mittelständischen Unternehmen familiengeführt, von den Familienunternehmen mit mindestens 50 Millionen Euro Jahresumsatz befindet sich weit mehr als die Hälfte in den Händen von mindestens der zweiten oder dritten Generation*.

Nicht nur in der sozialen Komponente in Konfliktfällen, sondern auch in der Eigentumsregelung kommt der Familie eine besondere Bedeutung zu. Die Familie ist gleichzeitig die größte Ressource dieser Unternehmen, denn viele deutsche Familienunternehmen im Mittelstand trumpfen durch ihre Beständigkeit und ihre Krisenresilienz am Markt auf. Der Familienunternehmer hat stets die nächste Generation im Blick, nicht den Quartalsabschluss.*

Ein bewusster Umgang mit den beiden Dimensionen Familie und Unternehmen und deren Wechselwirkungen lässt mittelständische Unternehmen sicher in die Zukunft gehen. Es gilt, Konflikte sauber zu klären, Erwartungen offen zu kommunizieren und achtsam in der Nachfolge zu agieren.

Die Überlagerung von Familie und Organisation steigert die Komplexität

Für die Weiterentwicklung von Familienunternehmen haben wir Ihnen aus unserer Praxiserfahrung in der systemischen (-sprich: mehrperspektivische und auf Wechselwirkung fokussierte) Beratung von Mittelstandsunternehmen sechs wirksame Tipps zusammengestellt, die Unternehmensentwicklung leichter gelingen lassen:

  1. Offenheit in der Rollengestaltung und Erwartungsklärung

    Führungsrollen sind in der Historie von Familienunternehmen meistens organisch gewachsen. Der Gründer oder die Gründerin hat Führung vorgelebt. Dies macht es gerade neuen Führungskräften schwer, in die Rolle zu kommen und sich entsprechend ihrer Persönlichkeit zu entwickeln. Wie die nachfolgenden Führungsgenerationen mit dem Erbe umgehen, hängt viel von der bewussten Auseinandersetzung ab. Es kann Dimensionen von Nachmachen und Weiterführen haben, bis hin zur Abgrenzung und Neugestaltung.
    Dazu kommt, dass in kleineren Familienunternehmen Aufgabentrennung oft wenig gelebt wird und jeder in der Theorie alles können muss, um das Unternehmen am Laufen zu halten. Eine klare Rollenklärung, wer wofür zuständig ist und welche Erwartungen mitwelcher Stelle verknüpft sind, ist absolut notwendig.
    In der täglichen Zusammenarbeit zu unterscheiden, in welchen Rollen man miteinander spricht (Gründer/Nachfolger/Geschäftsführer/Abteilungsleiter/Anteilseigner, etc.) und welche Interessen und Intentionen mit dieser Rolle verknüpft sind, ist hilfreich, um Klarheit in die Gespräche zu bringen und Konflikten vorzubeugen.

  2. Auswahl geeigneter Führungskräfte, sowie deren Ermächtigung

    Zur Familie gehörende Unternehmensmitglieder sind per se mit Macht aufgeladen. Die Verbindung von Unternehmerfamilie und Führungsteam, sollte intelligent gewählt sein. Welche unternehmerischen Qualitäten benötigt werden, ist hierfür die relevante Frage. Wesentlich dafür, dass Führungskräfte, die nicht zur Familie gehören auch aktiv handeln können, ist deren Ermächtigung im Unternehmen. Damit diese auch ernst genommen werden und wirkliche Einflussmöglichkeiten bekommen, braucht es sichtbare Rituale von Seiten der Eigentümerfamilie und sauberes Agieren in den Rollen.

  3. Vernetzung im Führungsteam

    Sind Unternehmerfamilien schon lange am Werk, fehlt es ihnen manchmal an Kraft, um einen wirklichen Wandel stattfinden zulassen. Wenn (Familien-/Unternehmens-)Systeme auf ein neues Level gehoben und lange eingelebte Muster gelöst werden sollen,braucht es die Kraft des Führungsteams. Verbindliches gemeinsames Verhalten, klare und abgestimmte Botschaften an die Mitarbeiter, sowie konsequentes Agieren, wenn alte Schleifen entstehen und Verhaltensweisen nicht länger geduldet werden dürfen, ist hier angesagt. Gerade Führungskräfte, die noch nicht lange im Unternehmen sind, können hier mit frischem Blick von außen Dynamiken und eingespielte Gewohnheiten spiegeln und die Diskussionen in neue Fahrwasser lenken.

  4. Konfliktkompetenz und Feedbackkultur

    Durch die familiäre Komponente sind Konflikte vorprogrammiert. Neben der Konstellation Geschäftsführer-Abteilungsleiter sind zum Beispiel im Rollenkonflikt gleichzeitig Vater und Sohn vertreten, die miteinander streiten. Neben den unternehmerischen Interessen gären oft alte Familienkonflikte, die Entscheidungen verlangsamen oder unmöglich machen. Fingerspitzengefühl und ein achtsamer Umgang im Miteinander kann helfen, diese Konflikte nicht über Flurfunk eskalieren zu lassen und Vertrauensverlusten vorzubeugen. Je offener die Gründer- und die Nachfolgegeneration für offenes Feedback sind und sich familiären Konflikten stellen, umso einfacher wird auch die menschliche Führung im Unternehmen.

  5. Regelmäßige Reflexion der im Unternehmen sichtbaren (Familien-)dynamiken

    Familiendynamiken und unternehmerische Dynamiken überlagern sich, das ist nicht zu vermeiden. Die Familie hat eine Wirkung im Unternehmen, ob sie das will oder nicht. Diese Wirkung aktiv zu gestalten und kulturgestaltend einzusetzen, ist die große Ressource von Familienunternehmen. Bewusst Werte im Miteinander vorzuleben und sich regelmäßig zu reflektieren, wie die Unternehmerfamilie (in engster Verknüpfung zum Führungsteam) wahrgenommen wird, ist zwar nicht immer angenehm, daran führt aber für gelungene Führung des Unternehmens kein Weg vorbei. Führung funktioniert nicht allein nach Rezept, sondern im täglichen Verhalten und dafür ist regelmäßige Reflexion und Verhaltensanpassung erforderlich.

  6. Freiheit der Wege: Frühzeitiger und dialogischer Nachfolgeprozess

    Dass der Nachfolgeprozess frühzeitig und im offenen Dialog erfolgen muss, spricht für sich. Geht die unternehmerische Nachfolge an die nächste Familiengeneration, ist damit immer auch ein Kulturwandel und neue Prämissen in der Führung verbunden: ein Prozess, der eine gute Begleitung braucht, wenn dabei familiäre Wunden vermieden werden sollen. Die Freiheit der Wege ist heilsames Prinzip für die langfristig stabile Entwicklung von Familienunternehmen. Töchter oder Söhne von Gründern und Gründerinnen, die ganz andere Träume und Berufsvorstellungen haben, als in die familiären Fußstapfen zu treten, werden die selbstverständlich vorausgesetzte Nachfolge als große Bürde empfinden und nur mäßig erfolgreich in ihrer Rollesein.

Die gelungene Weiterentwicklung von Familienunternehmen fordert die mutige und offene Auseinandersetzung mit dem, was ist. Um diesen Klärungsprozess zielführend und produktiv zu gestalten, helfen ein vertrauensvolles Umfeld und tiefer Dialog, sowie das Dranbleiben des Führungsteams. Ob ein solcher Entwicklungsprozess von Führung Substanz hat, zeigt sich oft in der Intensität der Auseinandersetzungen: wenn hitzige Diskussionen entstehen, Knotenpunkte sich lösen, blinde Flecken aufgedeckt werden oder gemeinsame Aha-Effekte und Einsichten plötzlich da sind.
Aus unserer Erfahrung zeigt sich: wo es intensiv wird, wird es auch wirksam.

 

 

*BDI 2012, Quelle: https://bdi.eu/media/presse/publikationen/mittelstand-und-familienunternehmen/Faktencheck_Mittelstand_Familienunternehmen_230915.pdf

Foto: Vincent van Zalinge (unsplash)
Grafik: © avenue